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Folgende Schriften vertiefen dieses
Merkblatt und behandeln weitere Fragen:
•
Cornelius Thum: Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Bayern, Kommentar,
Loseblattsammlung, Carl-Link-Verlag, ISBN 3-556-01311-8, DM 79,-, Bezug über
Buchhandel.
• Masson/Samper, Bayerische Kommunalgesetze, Gemeindeordnungs-Kommentar,
ISBN 3-415-00592-5, Richard Boorberg Verlag, DM 86,-, Bezug über den
Buchhandel.
http://www.kommunalfenster.de/
Für verschiedene
Fragen aus der Kommunalpolitik unter anderem: "Spaßbad in Deggendorf" dort: Themen - Alternatives
Kommunal - Management - "Ein Spaßbad in Deggendorf - Ja oder
Nein?"
Gründung der
Bürgerinitiative:
Entscheidender Anstoß für die Gründung der Bürgerinitiative "Erhaltung des
Freibades im Stadtpark" war die Absicht der Stadt Deggendorf, auf der
Grundlage des so genannten Kirchmann-Gutachtens in Natternberg ein Kombibad
von zusammen nur ca. 660 qm Wasserfläche im Innen - und Außenbereich in
Natternberg zu bauen. Deutlich wurden diese bestürzenden Einzelheiten in der
Informationsveranstaltung der Freien Wähler vom 29. Oktober 1999 im Gasthaus
zur Mühle zur Frage "Welches Bad wollen die Deggendorfer", in der Herr
Winkler von der Altstadt - Sanierungs- GmbH, auf drängende Fragen der
Anwesenden, nach und nach diese schockierenden Einzelheiten zugeben musste.
Damit wäre Deggendorf wohl die einzige Stadt in Niederbayern gewesen, die
außer einem Planschbecken im Freien, kein eigenes Freibad mehr gehabt hätte.
Zum Vergleich: das Freibad im Stadtpark hat alleine eine Wasserfläche von
zirka 1300 qm, das Hallenbad an der Angermühle von 250 qm.
Siehe: Leserbriefe
Die in den Anfängen 1994 vernünftige Planung eines neuen Frei- und
Hallenbades zog sich bis September 1999. Zur Vorgeschichte siehe im
Einzelnen das Konvolut zum Bäderstreit in Deggendorf. Praktisch von heute
auf morgen wurden aber die bisherigen Planungen, die schon fast 2,3
Millionen Mark an Planungs- und sonstigen Kosten verschlugen hatte,
verworfen und nun beschlossen, ein Kombibad in Natternberg zu bauen.
Blindlings folgte der Stadtrat dabei den irrealen Vorstellungen des
selbsternannten "Bäderspezialisten" Rechts-Anwalt Hanns-Peter Kirchmann.
Siehe:
Konvolut zum Bäderstreit
(Ein Abriss der
Geschichte des Freibadbaues vom 13. Juni 1994 - 21. Dezember 1999
(Quellen: Archiv
der Stadt Deggendorf)
"Sie müssen den Leuten aufs
Maul schauen. Was wollen die? Schließlich ist das Bad auch nichts
anderes als ein Supermarkt, der seine Sachen verkaufen will."
Dessen traumtänzerischen Vorstellungen im so genannten KAPLAN -
Gutachten, zum Beispiel 360.000 Besucher im Kombibad, 60.000 Besucher in
der Saunalandschaft, wurden gläubig, ohne Hinterfragung und vor allem
ohne eingehende Marktanalysen übernommen und der künftigen Planung zu
Grunde gelegt. Ohne Skrupel und Hemmungen wurde all das, was bisher als
vernünftig angesehen, ja als nicht verzichtbar der Planung zugrunde
gelegt und worum im Stadtrat gerungen worden war, verworfen. Auch
die von unterschiedlichster Seite geäußerte Bedenken, dass das
Kombibad nur schwer finanzierbar sei und eine dauernde Schuldenfalle
für die Stadt darstelle, vermochten nichts mehr zu ändern. Obwohl der
damalige Oberbürgermeister Dieter Görlitz zum Gründungsvertrag der
Stadtwerke GmbH auf Seite 9 (Sachgründungsbericht) selbst ausführte:
"Nachhaltige Auswirkungen auf die gegenwärtige Ertrags- und Finanzlage
sowie die Eigenkapitalquote sind durch den geplanten Neubau eines
Freizeitbades mit einer Investitionssumme von ca. 35 Millionen zu
erwarten, der überwiegend fremdfinanziert werden muss. Für den
notwendigen Kapitaldienst werden dadurch verstärkt Mittel aus der Eigen-
und Selbstfinanzierung gebunden sein. Die Ertragslage wird sich durch
Kapitalkosten mittelfristig verschlechtern; die Eigenkapitalquote wird
sinken. Weitergehende Auswirkungen, die den Bestand der Stadtwerke
gefährden, sind jedoch nicht zu erwarten."
Letztere leichtfertige Aussage erscheint aber mehr als fragwürdig,
denn eine Begründung dafür gibt Oberbürgermeister Görlitz nicht. Die
Leichtgläubigkeit ist erschreckend! Warum sind eigentlich weitergehende
Auswirkungen, die den Bestand der Stadtwerke gefährden, nicht zu
erwarten? Was geschieht zum Beispiel, wenn sich die gläubig
aufgenommene Verkündigung von den 360.000 Besuchern nicht erfüllt? Sind
Auswirkungen, die den Bestand der Stadtwerke nicht gefährden, dann nur
deswegen nicht zu erwarten, weil man einfach den Bürger über erhöhte
Strompreis zur Kasse bittet
Bei der Planung dieses Erlebnis-, Kombi - oder richtiger Spaßbades - denn
kein anderes Prädikat verdiente die ursprüngliche Planung - wurde weder auf
die Belange der Familien mit Kleinkindern, der Kinder, der Jugendlichen noch
der Senioren, schon gar nicht der sozial Schwachen Rücksicht genommen.
Kritiklos war man bereit ein den Bürgern dieser Stadt liebgewordenes
Stück Deggendorf mit fadenscheinigen, vordergründigen und irrealen
Vorstellungen zu opfern.
Dagegen lehnten sich Bärbel Neumeyer, Ute Kaul und Heidi Vaitl mit der von
ihnen initiierten Bürgerinitiative auf, mit dem Ziel, ein Bürgerbegehren
durchzuführen um schließlich in einem Bürgerentscheid den Erhalt des
Freibades im Stadtpark zu erreichen. Ihnen schlossen
sich Willi Thoma und ich an.
Photo:
Süddeutsche Zeitung,
Ausgabe 24. März
2000
Von rechts: Ute Kaul, Neumeier Bärbel, Thoma Willi, Vaitl Heidi,
Feichtinger Hans
Die Resonanz in der
Bevölkerung war groß. Wir erfuhren Aufmunterung, Bestätigung und Spenden von
allen Seiten, überraschender Weise über alle Parteigrenzen hinweg. Bei Regen
und Schneesschauern wurden die für das Bürgerbegehren notwendigen
Unterschriften gesammelt. Die Unterschriftenliste mit 2700 Unterschriften
wurde am 21. Dezember der Stadt Deggendorf übergeben. Erforderlich waren
nach Art. 18a der Bayerischen Gemeindeordnung (GO) 1700, das sind 7 v.H. der
wahlberechtigten Bürger. Das Bürgerbegehren wurde einstimmig vom Stadtrat
für zulässig erklärt (§ 18a Abs. 8 GO).Die Mehrheitsfraktion im Deggendorf
Stadtrat - die CSU - beschloss daraufhin, mit den Stimmen der Wählerliste
Natternberg, der Republikaner und Teilen der freien Wähler, gegen die
Stimmen der SPD, der Grünen und der Eheleute Dres. Scholz von den Freien
Wählern, ein so genanntes " Ratsbegehren" durchzuführen wonach in Deggendorf
Süd/Natternberg ein neues Frei- und Hallenbad Ganzjahresbad) u.a.- mit einem
25m Schwimmbecken im überdachten Hallenbereich, mit einem 50m Schwimmbecken
im Außenbereich sowie mit diversen Erlebnis- und Erholungseinrichtungen
errichtet werden soll, das Hallenbad an der Angermühle weiter betrieben und
das alte Freibad im Stadtpark geschlossen werden soll.
Der Wahlkampf:
Die CSU setzte alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel, finanziell und
personell ein, um ihr Ziel zu erreichen. In jedem Stadtteil wurden von ihr
Wahlveranstaltung abgehalten und den Bürgern jeden Tag eine neue Variante
des Spaßbades versprochen. Zuletzt - in Mietraching - war man an Stelle von
anfänglich 660 qm Wasserfläche nun bei 1500 qm Wasserfläche alleine im
Außenbereich (Stadtrat Volkmer und Stadtwerke-Chef Spanl) angelangt. In
Natternberg wurden kostenlose Shuttelbusse, neue Radwege und ein Radweg über
die Eisenbahnbrücke versprochen. Die Eintrittspreise, die im Kirchmann
Gutachten der Kalkulation zu Grunde gelegt worden waren, wurden einfach
geleugnet. Es wurden Hochglanzprospekte aufgelegt, die nicht das Geringste
mit dem Kombibad zu tun hatten. Man scheute sich auch nicht, den in Art. 18a
Abs. 15 GO niedergelegten Grundsatz der Gleichheit bei Veröffentlichungen
und Veranstaltungen auf das Gröblichste zu verletzten. In einem offiziell
von der Stadt Deggendorf herausgegebenen Informationsblatt zum
Bürgerentscheid wurden nämlich, wie Altstadtchef Winkler in einer
gemeinsamen Informationsveranstaltung im Rathaus auf Drängen
sachverständiger Bürger widerwillig zugeben musste, die dargestellten
Größenverhältnissen des Freibades verfälscht wieder- gegeben. Wiederum wurde
für das Ratsbegehren ein Bad abgebildet, das in keiner Weise realistisch
war, für das es keinerlei Pläne, geschweige denn Kalkulationen und überhaupt
Bausummenberechnungen gab. Von Seiten der Bürgerinitiative wurde überlegt,
mit einer einstweiligen Verfügung gegen diese Verletzung vorzugehen um die
Stadt zu zwingen, gem. § 18a Abs. 15 GO die ihr zustehende Möglichkeit zur
ehrlichen und sachgerechten Information der Bürger einzuräumen. Letztendlich
wurde davon abgesehen, weil die Zeit hierfür nicht mehr ausreichte. Die
Bürgerinitiative -ermutigt und unterstützt durch Spenden aus weiten Teilen
der Bevölkerung, über die Parteigrenzen hinweg - versuchte mit Leserbriefen,
dem nebenan abgebildeten Wahlplakat, mit Interviews in der Deggendorfer
Zeitung, einer Sendung im Donau-TV, mit Flugblättern, einer eigenen
Homepage, Informationsständen am Stadtplatz, Abend -
Informationsveranstaltungen im Kolpinghaus und im Alten Rathaus, zuletzt mit
drei großen Anzeigen in der Deggendorfer Zeitung, die Bürger für sich zu
gewinnen. Die Resonanz war groß. Der Bürgerentscheid erregte Aufsehen weit
über die Grenzen der Stadt hinaus. Auch die Süddeutsche Zeitung berichtete
in der Ausgabe vom 24. März 2000 im Bayernteil unter der Überschrift "Das
ist unsere kleine Toskana - Deggendorfer haben die Wahl: Idyllisches Freibad
oder teueres neues Spaßbad", in einem großen Artikel, mit dem oben stehenden
Photo über den Bürgerentscheid.
Wahltag: 26. März 2000
Von den 24 004 wahlberechtigten Bürgern schritten 8591 zur Wahlurne. Die
Wahlbeteiligung betrug somit 35,79 %, für dieses Thema unerwartet viel, wenn
man berücksichtigt, dass z.B. bei Landrats- und Stadtratswahl die
Wahlbeteiligung weit unter 60% geblieben ist. Es entfielen auf das
Bürgerbegehren 4467 Stimmen, das sind 18,61% der Wahlberechtigten, auf das
Ratsbegehren 4062 Stimmen, das sind 16,92% der Wahlberechtigten. Die
Bürgerinitiative hatte damit zwar klar die Mehrheit der Stimmen für sich
gewinnen können, hat aber um nur 334 Stimmen das in Art. 18a Abs. 12 BayGO
festgesetzte Quorum von 20% der wahlberechtigten Bürger, das sind 4801
Stimmen, verfehlt.
Damit war das Bürgerbegehren knapp gescheitert!
Die Entscheidungsbefugnis über das weitere Schicksal des Freibades fiel an
den Stadtrat zurück. Dieser beschloss in der Stadtratssitzung am 18. April
2000 mit den Stimmen der CSU, der Republikaner und Teilen der Freien Wähler,
gegen die Stimmen der SPD, der Grünen sowie den Eheleuten Dres.Scholz von
den Freien Wählern, den Bau des Kombi-Bades in Natternberg und die Auflösung
des Freibades im Stadtpark.
Der Abstimmung ging ein Eklat voraus. Ausgelöst
hatte diesen CSU-Stadtrat Günther Pammer der auf beispiellos undemokratische
Weise die Debatten im Plenum unter Missbrauch der CSU- Mehrheit, abwürgte
obwohl noch acht Redner auf der Rednerliste standen. Sogar die gewiss nicht
CSU-unfreundliche PNP kam in einem Kommentar von Michaela Arbinger zur
Erkenntnis:
"Doch so haftet der Bad-Entscheidung ein
schaler Beigeschmack an. Viele Bürger haben ein derartiges Machtgehabe
satt."
Mit dem Beschluss des Stadtrates, das Kombibad in Natternberg zu bauen und
das Freibad im Stadtpark aufzulösen, setzte sich die CSU bedenkenlos über
den Willen der Mehrheit der Bürger hinweg. Sie zerstörte damit unwiderruflich
ein vielen Bürgern liebgewordenes Stück Deggendorf, ein Stück Deggendorf mit
Geschichte.
Fazit:
Die Bürgerinitiative hat leider ihr Ziel, den Erhalt des Freibades im
Stadtpark, wenn auch äußerst knapp, verfehlt. Aber nur ihrem engagierten Einsatz ist es zu verdanken, dass das
ursprünglich geplante unsinnige "Spaß"-Erlebnis -Bad mit nur insgesamt etwa
660 qm Wasserfläche nicht wie geplant gebaut wurde, sondern sich - zumindest
was die Wasserflächen betrifft - ansatzweise auch bei den Verantwortlichen
der CSU ein Hauch von Vernunft durchsetzte und ein Umdenken erfolgte.
Unter dem Druck des Bürgerentscheides wurde nämlich in letzter Minute noch ein eigenes Freibad mit einem 50
m Becken, und im Hallenbad zusätzlich ein 25 m Schwimmbecken,
eingeplant und später dann auch verwirklicht. So stehen für die Bürger unserer Stadt
jetzt, wenn auch draußen in der Prärie, wenigstens einigermaßen ausreichende Wasserflächen zum Schwimmen zur Verfügung.
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