Bürgerinitiative

Erhaltung des Freibades im Stadtpark

Ein Lehrbeispiel  wie ohne Rücksicht auf Bürgerinteressen ein
Stück liebenswertes Deggendorf bedenkenlos zerstört wurde

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Nützliche Links und Literaturhinweise:

Mehr Demokratie e.V. Landesverband Bayern

Beratung bei Bürgerbegehren und Merkblatt zur Durchführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in Bayer: Eva Knierer, Fritz-Berne-Straße 1, 81241 München  bayernbuero@mehr-demokratie.de

Folgende Schriften vertiefen dieses Merkblatt und behandeln weitere Fragen:

• Cornelius Thum: Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Bayern, Kommentar, Loseblattsammlung,     Carl-Link-Verlag, ISBN 3-556-01311-8, DM 79,-, Bezug über Buchhandel.

• Masson/Samper, Bayerische Kommunalgesetze, Gemeindeordnungs-Kommen
tar, ISBN 3-415-00592-5, Richard Boorberg Verlag, DM 86,-, Bezug über den Buchhandel.
 

http://www.kommunalfenster.de/

Für verschiedene Fragen aus der Kommunalpolitik unter anderem:
"Spaßbad in Deggendorf" dort: Themen   -  Alternatives Kommunal - Management  -  "Ein Spaßbad in Deggendorf - Ja oder Nein?"

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Gründung der Bürgerinitiative:

Entscheidender Anstoß für die Gründung der Bürgerinitiative "Erhaltung des Freibades im Stadtpark" war die Absicht der Stadt Deggendorf, auf der Grundlage des so genannten Kirchmann-Gutachtens in Natternberg ein Kombibad von zusammen nur ca. 660 qm Wasserfläche im Innen - und Außenbereich in Natternberg zu bauen. Deutlich wurden diese bestürzenden Einzelheiten in der Informationsveranstaltung der Freien Wähler vom 29. Oktober 1999 im Gasthaus zur Mühle zur Frage "Welches Bad wollen die Deggendorfer", in der Herr Winkler von der Altstadt - Sanierungs- GmbH, auf drängende Fragen der Anwesenden, nach und nach diese schockierenden Einzelheiten zugeben musste.  Damit wäre Deggendorf wohl die einzige Stadt in Niederbayern gewesen, die außer einem Planschbecken im Freien, kein eigenes Freibad mehr gehabt hätte. Zum Vergleich: das Freibad im Stadtpark hat alleine eine Wasserfläche von zirka 1300 qm, das Hallenbad an der Angermühle von 250 qm.

Siehe: Leserbriefe

Die in den Anfängen 1994 vernünftige Planung eines neuen Frei- und Hallenbades zog sich bis September 1999. Zur Vorgeschichte siehe im Einzelnen das Konvolut zum Bäderstreit in Deggendorf. Praktisch von heute auf morgen wurden aber die bisherigen Planungen, die schon fast 2,3 Millionen Mark an Planungs- und sonstigen Kosten verschlugen hatte, verworfen und nun beschlossen, ein Kombibad in Natternberg zu bauen. Blindlings folgte der Stadtrat dabei den irrealen Vorstellungen des selbsternannten "Bäderspezialisten" Rechts-Anwalt Hanns-Peter Kirchmann.

Siehe: Konvolut zum Bäderstreit (Ein Abriss der Geschichte des Freibadbaues vom 13. Juni 1994 - 21. Dezember 1999 (Quellen: Archiv der Stadt Deggendorf)

"Sie müssen den Leuten aufs Maul schauen. Was wollen die? Schließlich ist das Bad auch nichts anderes als ein Supermarkt, der seine Sachen verkaufen will."

Dessen traumtänzerischen Vorstellungen im so genannten KAPLAN - Gutachten, zum Beispiel 360.000 Besucher im Kombibad, 60.000 Besucher in der Saunalandschaft, wurden gläubig, ohne Hinterfragung und vor allem ohne eingehende Marktanalysen übernommen und der künftigen Planung zu Grunde gelegt. Ohne Skrupel und Hemmungen wurde all das, was bisher als vernünftig angesehen, ja als nicht verzichtbar der Planung zugrunde gelegt  und worum im Stadtrat gerungen worden war, verworfen. Auch die von unterschiedlichster Seite geäußerte Bedenken, dass das Kombibad nur schwer finanzierbar sei und eine dauernde Schuldenfalle für die Stadt darstelle, vermochten nichts mehr zu ändern. Obwohl der damalige Oberbürgermeister Dieter Görlitz zum Gründungsvertrag der Stadtwerke GmbH auf Seite 9 (Sachgründungsbericht) selbst ausführte:

"Nachhaltige Auswirkungen auf die gegenwärtige Ertrags- und Finanzlage sowie die Eigenkapitalquote sind durch den geplanten Neubau eines Freizeitbades mit einer Investitionssumme von ca. 35 Millionen zu erwarten, der überwiegend fremdfinanziert werden muss. Für den notwendigen Kapitaldienst werden dadurch verstärkt Mittel aus der Eigen- und Selbstfinanzierung gebunden sein. Die Ertragslage wird sich durch Kapitalkosten mittelfristig verschlechtern; die Eigenkapitalquote wird sinken. Weitergehende Auswirkungen, die den Bestand der Stadtwerke gefährden, sind jedoch nicht zu erwarten."

Letztere leichtfertige Aussage erscheint aber mehr als fragwürdig,  denn eine Begründung dafür gibt Oberbürgermeister Görlitz nicht. Die Leichtgläubigkeit ist erschreckend! Warum sind eigentlich weitergehende Auswirkungen, die den Bestand der Stadtwerke gefährden, nicht zu erwarten? Was geschieht zum Beispiel, wenn sich die gläubig aufgenommene Verkündigung von den 360.000 Besuchern nicht erfüllt? Sind Auswirkungen, die den Bestand der Stadtwerke nicht gefährden, dann nur deswegen nicht zu erwarten, weil man einfach den Bürger über erhöhte Strompreis zur Kasse bittet

Bei der Planung dieses Erlebnis-, Kombi - oder richtiger Spaßbades - denn kein anderes Prädikat verdiente die ursprüngliche Planung - wurde weder auf die Belange der Familien mit Kleinkindern, der Kinder, der Jugendlichen noch der Senioren, schon gar nicht der sozial Schwachen Rücksicht genommen. Kritiklos war man bereit ein den Bürgern dieser Stadt  liebgewordenes Stück Deggendorf mit fadenscheinigen, vordergründigen und irrealen Vorstellungen zu opfern.

Dagegen lehnten sich Bärbel Neumeyer, Ute Kaul und Heidi Vaitl mit der von ihnen initiierten Bürgerinitiative auf, mit dem Ziel, ein Bürgerbegehren durchzuführen um schließlich in einem Bürgerentscheid den Erhalt d
es Freibades im Stadtpark zu erreichen. Ihnen schlossen sich Willi Thoma und ich an.

Photo: Süddeutsche Zeitung, Ausgabe 24. März 2000
Von rechts: Ute Kaul, Neumeier Bärbel, Thoma Willi, Vaitl Heidi,  Feichtinger Hans

Die Resonanz in der Bevölkerung war groß. Wir erfuhren Aufmunterung, Bestätigung und Spenden von allen Seiten, überraschender Weise über alle Parteigrenzen hinweg. Bei Regen und Schneesschauern wurden die für das Bürgerbegehren notwendigen Unterschriften gesammelt. Die Unterschriftenliste mit 2700 Unterschriften wurde am 21. Dezember der Stadt Deggendorf übergeben.  Erforderlich waren nach Art. 18a der Bayerischen Gemeindeordnung (GO) 1700, das sind 7 v.H. der wahlberechtigten Bürger. Das Bürgerbegehren wurde einstimmig vom Stadtrat für zulässig erklärt (§ 18a Abs. 8 GO).Die Mehrheitsfraktion im Deggendorf Stadtrat - die CSU - beschloss daraufhin, mit den Stimmen der Wählerliste Natternberg, der Republikaner und Teilen der freien Wähler, gegen die Stimmen der SPD, der Grünen und der Eheleute Dres. Scholz von den Freien Wählern, ein so genanntes " Ratsbegehren" durchzuführen wonach in Deggendorf Süd/Natternberg ein neues Frei- und Hallenbad Ganzjahresbad) u.a.- mit einem 25m Schwimmbecken im überdachten Hallenbereich, mit einem 50m Schwimmbecken im Außenbereich sowie mit diversen Erlebnis- und Erholungseinrichtungen errichtet werden soll, das Hallenbad an der Angermühle weiter betrieben und das alte Freibad im Stadtpark geschlossen werden soll.


Der Wahlkampf:


Die CSU setzte alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel, finanziell und personell ein, um ihr Ziel zu erreichen. In jedem Stadtteil wurden von ihr Wahlveranstaltung abgehalten und den Bürgern jeden Tag eine neue Variante des Spaßbades versprochen. Zuletzt - in Mietraching - war man an Stelle von anfänglich 660 qm Wasserfläche nun bei 1500 qm Wasserfläche alleine im Außenbereich (Stadtrat Volkmer und Stadtwerke-Chef Spanl) angelangt. In Natternberg wurden kostenlose Shuttelbusse, neue Radwege und ein Radweg über die Eisenbahnbrücke versprochen. Die Eintrittspreise, die im Kirchmann Gutachten der Kalkulation zu Grunde gelegt worden waren, wurden einfach geleugnet. Es wurden Hochglanzprospekte aufgelegt, die nicht das Geringste mit dem Kombibad zu tun hatten. Man scheute sich auch nicht, den in Art. 18a Abs. 15 GO niedergelegten Grundsatz der Gleichheit bei Veröffentlichungen und Veranstaltungen auf das Gröblichste zu verletzten. In einem offiziell von der Stadt Deggendorf herausgegebenen Informationsblatt zum Bürgerentscheid wurden nämlich, wie Altstadtchef Winkler in einer gemeinsamen Informationsveranstaltung im Rathaus auf Drängen sachverständiger Bürger widerwillig zugeben musste, die dargestellten Größenverhältnissen des Freibades verfälscht wieder- gegeben. Wiederum wurde für das Ratsbegehren ein Bad abgebildet, das in keiner Weise realistisch war, für das es keinerlei Pläne, geschweige denn Kalkulationen und überhaupt Bausummenberechnungen gab. Von Seiten der Bürgerinitiative wurde überlegt, mit einer einstweiligen Verfügung gegen diese Verletzung vorzugehen um die Stadt zu zwingen, gem. § 18a Abs. 15 GO die ihr zustehende Möglichkeit zur ehrlichen und sachgerechten Information der Bürger einzuräumen. Letztendlich wurde davon abgesehen, weil die Zeit hierfür nicht mehr ausreichte. Die Bürgerinitiative -ermutigt und unterstützt durch Spenden aus weiten Teilen der Bevölkerung, über die Parteigrenzen hinweg - versuchte mit Leserbriefen, dem nebenan abgebildeten Wahlplakat, mit Interviews in der Deggendorfer Zeitung, einer Sendung im Donau-TV, mit Flugblättern, einer eigenen Homepage, Informationsständen am Stadtplatz, Abend - Informationsveranstaltungen im Kolpinghaus und im Alten Rathaus, zuletzt mit drei großen Anzeigen in der Deggendorfer Zeitung, die Bürger für sich zu gewinnen. Die Resonanz war groß. Der Bürgerentscheid erregte Aufsehen weit über die Grenzen der Stadt hinaus. Auch die Süddeutsche Zeitung berichtete in der Ausgabe vom 24. März 2000 im Bayernteil unter der Überschrift "Das ist unsere kleine Toskana - Deggendorfer haben die Wahl: Idyllisches Freibad oder teueres neues Spaßbad", in einem großen Artikel, mit dem oben stehenden Photo über den Bürgerentscheid.


 

Wahltag: 26. März 2000

Von den 24 004 wahlberechtigten Bürgern schritten 8591 zur Wahlurne. Die Wahlbeteiligung betrug somit 35,79 %, für dieses Thema unerwartet viel, wenn man berücksichtigt, dass z.B. bei Landrats- und Stadtratswahl die Wahlbeteiligung weit unter 60% geblieben ist. Es entfielen auf das Bürgerbegehren 4467 Stimmen, das sind 18,61% der Wahlberechtigten, auf das Ratsbegehren 4062 Stimmen, das sind 16,92% der Wahlberechtigten. Die Bürgerinitiative hatte damit zwar klar die Mehrheit der Stimmen für sich gewinnen können, hat aber um nur 334 Stimmen das in Art. 18a Abs. 12 BayGO festgesetzte Quorum von 20% der wahlberechtigten Bürger, das sind 4801 Stimmen, verfehlt.


Damit war das Bürgerbegehren knapp gescheitert!

Die Entscheidungsbefugnis über das weitere Schicksal des Freibades fiel an den Stadtrat zurück. Dieser beschloss in der Stadtratssitzung am 18. April 2000 mit den Stimmen der CSU, der Republikaner und Teilen der Freien Wähler, gegen die Stimmen der SPD, der Grünen sowie den Eheleuten Dres.Scholz von den Freien Wählern, den Bau des Kombi-Bades in Natternberg und die Auflösung des Freibades im Stadtpark.

Der Abstimmung ging ein Eklat voraus. Ausgelöst hatte diesen CSU-Stadtrat Günther Pammer der auf beispiellos undemokratische Weise die Debatten im Plenum unter Missbrauch der CSU- Mehrheit, abwürgte obwohl noch acht Redner auf der Rednerliste standen. Sogar die gewiss nicht CSU-unfreundliche PNP kam in einem Kommentar von Michaela Arbinger zur Erkenntnis: "Doch so haftet der Bad-Entscheidung ein schaler Beigeschmack an. Viele Bürger haben ein derartiges Machtgehabe satt."

Mit dem Beschluss des Stadtrates, das Kombibad in Natternberg zu bauen und das Freibad im Stadtpark aufzulösen, setzte sich die CSU bedenkenlos über den Willen der Mehrheit der Bürger hinweg. Sie zerstörte damit unwiderruflich ein vielen Bürgern liebgewordenes Stück Deggendorf, ein Stück Deggendorf mit Geschichte.


Fazit:

Die Bürgerinitiative hat leider ihr Ziel, den Erhalt des Freibades im Stadtpark, wenn auch äußerst knapp,  verfehlt. Aber nur ihrem engagierten Einsatz ist es zu verdanken, dass das ursprünglich geplante unsinnige "Spaß"-Erlebnis -Bad mit nur insgesamt etwa 660 qm Wasserfläche nicht  wie geplant gebaut wurde, sondern sich - zumindest was die Wasserflächen betrifft - ansatzweise auch bei den Verantwortlichen der CSU ein Hauch von Vernunft durchsetzte und ein Umdenken erfolgte.  Unter dem Druck des Bürgerentscheides wurde nämlich in letzter Minute noch ein eigenes Freibad mit einem 50 m Becken, und im Hallenbad zusätzlich ein 25 m Schwimmbecken, eingeplant und später dann auch verwirklicht. So stehen für die Bürger unserer Stadt jetzt,  wenn auch draußen in der Prärie,  wenigstens einigermaßen ausreichende Wasserflächen zum Schwimmen zur Verfügung. 

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